Anfliegen
2008 (Rijavci 01.-07.3.)
"Bora im Rücken"
Der
Winter in Deutschland schien wieder einmal ausgefallen zu sein,
trotzdem zog es uns in den Süden in der Hoffnung, dort die Thermik zu
finden, auf die wir im Norden noch länger warten müßten. Martin hatte wieder seine
Schwester Irmtraud
mitgebracht, Klaus war noch
Slovenien-Neuling, im Gegensatz zu den kampferprobten Plesa-Piloten Gideon und Konrad, der wieder seine Gattin Olga und Nachwuchs Elvira im Gefolge hatte. Uli und Rainer hofften darauf, sich den
Ritterschlag zum PP zu
verdienen. Es gehörte schon Mut dazu, erst einmal loszufahren. Sturm
"Emma" blies aus vollen Backen und rüttelte und schüttelte nicht nur
uns durch. Bäume stürzten in Reihen, die Bahn stellte den Betrieb ein
und die Autobahn war völlig verstopft. Spät in der Nacht erst kamen die
Letzten in unserer neuen Herberge in Rijavci bei Trnovo an, herzlich
begrüßt vom Wirt Danilo.
Der Sonntag
sollte schon traditionsgemäß wieder der beste Tag werden, die
Wetterfrösche hatten richtig geunkt! Alle fuhren am Morgen voll
Erwartung zum
Drachenstartplatz. Das war ja gleich um die Ecke, ein Stück nur durch
den Wald zu fahren von unserer Unterkunft. Mit Frohlocken
stellten wir fest, daß die Rampe tip-top in Ordnung ist, nur ein paar
Windfähnchen wurden noch angebracht. Leider war erst einmal dicke Suppe
vor der Rampe, die tiefe Hangbewölkung gestattete keinen Blick auf
Marien-Kapelle unter dem Startplatz, geschweige denn einen auf die
Adria. Munter wurden die Drachen aufgebaut und dann darauf gewartet,
daß sich die Sonne durch den Dunst bohren würde. Martin schenkte dem
Trainer kein Vertrauen und verließ den Aufbauplatz mit touristischen
Ambitionen. Die Zeit vertrieben wir uns mit zweitem und drittem
Frühstück, dann Funkgerätetests und dem fruchtlosen Versuch Olgas, ein
Lagerfeuer zu entfachen. Als dann die Sonne endlich durchblitzte und
die Thermik anfachte, ging alles ganz schnell. Der Wind stand ideal an
und nach kurzer Zeit waren alle in der Luft. Die Thermik war sanft in
der stumpfen Luftmasse, keine bösen Turbulenzen durch Thermik oder
Windscherungen.
So
richtig hoch ging es deshalb aber nicht und gut beraten war, wer nicht
die ganz dicken Sachen und Handschuhe angezogen hatte. Man hatte
ziemlich zu kämpfen, um nicht zu früh wieder landen zu müssen und
schwitzte unter der Hangkante. Früher oder später trollte man sich dann
doch in Richtung Landeplatz, wo der Nullwind lauerte und die schönsten
Bauchlandungen hingelegt wurde. Einzig Uli
hatte ein Quentchen Gegenwind, ausreichend um seine originelle
Lauflandetechnik zu praktizieren. Alle waren zufrieden mit etwa 1
Stunde Flugzeit und klappten die Drachen wieder zusammen. Danilo hatte Geflügelgulasch mit
Kartoffelpürree für uns auf dem Ofen. Danach gab es Biowein...
Am
Montag
sollte es nach dem
Orakel der Wetterfrösche nachmittags zu ziehen und abends regnen. Also
rasch gefrühstückt und wieder zum Startplatz. Vorher war der Trainer
ganz demokratisch davon überzeugt worden, daß es wieder vom Lijak aus
gehen sollte. Straffer Seitenwind an der Rampe ließ die Mannschaft
allerdings rasch an der Qualität ihrer Entscheidung zweifeln, so daß
doch die Trainervariante eine Wiederbelebung erfuhr - auf nach Tolmin
zum Kobala. Dort angelangt hegte niemand Zweifel, daß man fliegen
könnte, aber so recht wollte das keiner. Gestern war es zu schön
gewesen in der Thermik und bei blauem Himmel. Heute ist es trübe und
mehr als ein Abgleiter ist nicht drin. Dazu sind wir wohl schon zu
verwöhnt, also beschließem wir für heute Tourismus. Zunächst geht es
auf den Kozlov Rob, dem einem Vulkan ähnlichen Kegelberg neben dem
Landeplatz. Die etwa 200 Höhenmeter steigen wir locker durch und
genießen den Anblick ganzer Wiesenflächen und Berghänge voll blühender
Schneeglöckchen, Krokusse, Schlüsselblumen, Leberblümchen,...
Da der Tag noch lang
ist, besuchen wir noch die Tolminka-Schlucht im Triglav-Nationalpark.
Natürlich stecken wir die Nase auch wieder in die Dante-Höhle und Gideon badet seine Waden im
kristallklaren Wasser der Tolminka. "Gar nicht so kalt" meint er.
Später sehen wir einen Hinweis auf warme Quellen am Oberlauf. Also war
unser Bullenbär doch nicht so eisenhart wie es den Anschein hatte.
Am Dienstag
gibt es den angekündigten Regentag. Zunächst ist es deutlich kälter und
natürlich regnet es dann auch. Bullenbär Gideon will unbedingt nach
Kobarid in das Museum der Schlacht am Isonzo während des 1. Weltkriegs.
Da haben hunderttausende Soldaten die vielen bequemenWege auf unsere
Flugberge angelegt, um sich dann gegenseitig umzubringen. Das
Museum ist sehr sorgfältig angelegt und ausgestattet. Es beeindruckt
sehr, bedrückt aber auch. Dann schauen wir die aktuelle Prognose und
müssen erkennen, daß die Wetterfrösche die zweite Wochenhälfte
plötzlich ganz anders bequaken als noch gestern. Starker Nordwind und
Kälte und Niederschläge. Die aktuellen gehen über Nacht in Schnee über
und
am Mittwoch
ist alles weiß. So kommen wir doch noch zu unserem Winter 2008! Laut Danilo hat es in diesem Jahr nur
einmal geschneit, nun zum zweiten Mal und das aber richtig. Dazu weht
ein heftiger Wind, der in den Bäumen pfeift und an den Fensterläden
rüttelt. Wir suchen wieder einmal Zuflucht in einer Höhle. Die
Skocjansker Jama tröstet uns mit ihren gewaltigen Dimensionen über
unseren Jammer hinweg. Danach besuchen wir noch die Höhlenburg
Predjamskij Grad und lassen es dann genug sein für dieses Jahr mit
Höhlen.
Abends
wird noch einmal das Orakel befragt, es droht mit Windstärken von
60Knoten in Bodennähe und Bora-Böen bis 140km/h. Keine Aussicht auf
Wetterbesserung. Also packen wir unsere Drachen wieder auf die Maulesel
und reiten am Donnerstag zurück. Wegen Sturm müssen wir nicht hier
bleiben, den können wir auch zu Hause haben. Eindrucksvoll
verabschieden uns die Spalier stehenden Föhnfische am Alpenrand.
Warte nur Plesa, wir kommen wieder!
Konrad