Anfliegen 2006 (Lokve 05.-11.3.)
"Thermik trotz Eis und Schnee"

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Wenn
der Frühling nicht nach Deutschland kommen will, dann fahren ihm
entgegen. Selten war der Wahlspruch unserer Frühjahrsanfliegen so
treffend wie in diesem Jahr. Die Wetterfrösche bequakten im Chor
drohende Unbilden der Witterung wie Eis und Schnee. So lang wie die
Niederschlagsbalken auf ihren bunten Grafiken wurden die Gesichter der
Vereinsfreunde und nicht jeder konnte dem Trainer unverbrüchliches
Vertrauen beweisen. Seinen Worten nach sollte im Gefolge ergiebiger
Schneefälle die lachende Sonne unser Lohn sein. Decken wir also
den Mantel des Schweigens über die verzagten Jünger unserer
Zunft, die es vorzogen, daheim hinterm warmen Ofen zu hocken. Gut
beraten war, wer Schneeketten eingepackt hatte, auch Ski und Rodel
konnte man gut brauchen, denn letztendlich erfüllte Petrus die
Erwartungen, welche die Wetterfrösche an ihn gestellt hatten. Das
Zentrum des Niederschlagsgebietes zog über unserer angestammten
Herberge in Lokve hinweg und zog eine breite und tiefe Schneespur in
die Landschaft. Der Wirt legte aber eine Spätschicht ein und
beköstigte die Spätankömmlinge mit Spezialitäten
des Hauses wie geröstete Achtärmlinge, Olgas Äuglein
begannen daraufhin wieder zu glänzen.
Am Montag lachte
die Sonne über das ganze Firmament, der Wind war allerdings noch
heftiger als erwünscht, so daß eine Winterwanderung auf den
Tagesplan gesetzt wurde. Ein paar Kilometer rein in den Wald und dann
wieder zurück sorgten für den nötigen Appetit zum
Abendessen, bei dem wie zu erwarten Olga ihre eintönige
Ernährung fortsetzte, um ihren Kalamaripegel anzuheben.
Leider hat Volker wohl das
Übermaß an frischer Winterluft bei der gestrigen Wanderung
geschockt,
so daß ein bösartiger Virus die Gelegenheit beim Schopfe
ergriff und
sich in Volkers Körperzellen ungebremst zu vermehren begann. Am
Dienstag morgen erwies sich Volker
somit nicht nur als
fluguntauglich, sondern war jeglicher anderen Zerstreuung völlig
abhold
geworden. Apathisch folgte er den Anweisungen seiner lieben Christine, die ihn erst ins Auto
bugsierte, um ihn dann wieder zurück ins heimatliche Ehebett zu
chauffieren.
Zum Trost der Zurückgebliebenen lachte wieder die Sonne und der
Wind
hatte erheblich an Kraft eingebüßt. Nach kurzem Briefing
wurde die
Logistik festgelegt: Alle Drachen zunächst zum Startplatz, dann
mit
zwei Kaleschen an den Landeplatz, Emil
abgestellt und mit der zweiten wieder hoch auf den Berg. Beim
Drachenaufbau fehlen dem Trainer plötzlich
die beiden Quickpins, die an der Ersatzbasis zu Hause vergessen wurden.
Klar, daß es Hohn und Spott gab, bevor die Mannschaft mit Ersatz
heraus
rückte. Als nächstes erwies sich das neue Gurtzeug vom Trainer als zu eng, alles
Packmaterial mußte wieder heraus genommen und im Auto deponiert
werden.
Zwischendurch brannte die Sonne große Löcher in die
Schneedecke des
Starthanges. Uwe hatte mit des
Trainers superscharfem
Fuchsschwanz eine breite Bresche in das Gehölz unterhalb der Rampe
geschlagen, somit war der Start frei. An der Rampe war unverkennbar,
daß seit dem vorjährigen Anfliegen der Zahn der Zeit eifrig
an der
schon damals recht morschen Rampe genagt hatte und daß unsere 120
Euro
Landegebühren hier keinerlei Spuren hinterlassen hatten.
Dafür
drängelten wir uns diesmal bei dieser Geldanlage nicht vor.
Dann
standen die vier Drachen sauber aufgebaut da, jeder von ihnen ehemals
vom Trainer eingeritten, und
nun bereit, uns in die Lüfte zu entführen. Allerdings
schwächelte der
Startwind. Immer wenn eine Wolke den Starthang abschattete, gab es
Rückenwind. Dazwischen aber immer noch gute Phasen. Martin gab sich zuerst seinen Impuls
und lief beherzt die Rampe hinunter. Alle schauten gespannt auf das
Schauspiel, welches Martin uns
ganz kostenlos darbot. Zunächst lief alles glatt, Martins Start ohne Tadel, dann
gleich Thermikanschluß, den Startplatz knapp überhöht,
aber viel
Geschaukele war schon dabei. Plötzlich, als hätte jemand ein
Loch in
die Luft geschnitten, fiel Martin
nach unten. Martin
kämpfte
wacker mit den Leewirbeln und holte aus seinem kleinen Drachen das
Letzte heraus, schoß mit dem Steuerbügel an den Knien knapp
über den
Bäumen dahin in Richtung rettendes Tal. Kaum den Leeturbulenzen
entkommen visierte Martin den Landeplatz an. Im Tal herrschte jedoch
lebhafter Westwind und gegen den kam Martin
mit seinem bereits müde gerittenen Luftroß nicht an. Sicher
setzten
schließlich beide auf einer großen Wiese auf und wir
konnten
durchatmen.
Rainer als unser
ältester und in unzähligen Auseinandersetzungen mit widrigen
Winden
erfahrener Kämpe startete als nächster und fischte sich eine
Thermikblase aus dem reichlichen Angebot vor dem weißen Felsen.
Als
nach längerer Rückenwindphase doch wieder eine
Wolkenlücke Hangaufwind
erzeugte, hob auch Uwe ab. Der
Trainer hängte sich als
letzter
in seinen Drachen ein, stellte sich auf die Rampe und schaute Uwe zu, der sich in gutem Steigen
nach oben schraubte. Dabei blies der Wind ständig stärker aus
der
falschen Richtung, so daß sich auch diesmal die Regel
bestätigte,
wonach der Trainer beim ersten Flugtag nur zuschaut. Immerhin zeigten Rainer und Martin auch gegen den heftigen
Talwind, was ihre Drachen leisten können und glitten unbeschadet
über Martin hinweg zum
Landeplatz. Martin war jedoch
weit davon
entfernt, neidisch zu sein, kann er doch in seinem Stall ein
überaus
feuriges Luftroß sein Eigen nennen, nur nöch bändigen
muß er es und
seine Steuerimpulse an das feinfühlige Tier anpassen.
Die Sonne hatte schön längst ihr Tagewerk verrichtet, als wir
in der
Herberge in Lokve eintrudelten und uns Elvira
entgegenhüpfte. Sie hatte im Schnee gespielt, Schneemann gebaut
und
sich den Hang hinab gekullert. Nun war sie auch so hungrig wie wir. Im
Unterschied zu ihrer Mama, die auf Kalamaris fixiert war, gab sich Elvira täglich die große
Nudelportion mit einem Stück guter gelber Butter daran. Die
Männer
hatten eher fleischliche Gelüste und verzehrten Steak mit Pilzen.
Der Mittwoch war der erste Supertag. Kaum Wind am Hang, also fix
aufgebaut und auf die Thermik gewartet. Die stellte sich auch
pünktlich
ein und bevor sich die Mannschaft versah, hatte der Trainer sich in sein Gurtzeug
gequetscht, seinen Drachen geschnappt und startete ganz gegen die
Gewohnheit als Erster. Der Start war wacklig bis kriminell.
Zunächst
erwiesen sich die dicken Skihandschuhe als nicht griffsicher, selbst
leichtes Anfeuchten mit Schnee konnte dem nicht abhelfen. Nach dem
schon verkorksten Startlauf rutschte der Trainer plötzlich tief ins
Gurtzeug, der Drachen bockte erst nach links, dann nach rechts, bevor
er sich bändigen ließ. Wie sich später herausstellte,
waren die
Beinschlaufen im neuen Gurtzeug viel zu tief angebracht, in aufrechter
Position rutschte Konrad
regelrecht rein und klemmte sich an den Achseln.
Uwe, Rainer und schließlich
auch Martin starteten bald
darauf und
suchten sich die dicksten Thermikblasen heraus. Heute gab es davon in
Hülle und Fülle, jede Wolke hielt ihr Versprechen. Die Sicht
bis zum
Horizont gestochen scharf, eindrucksvoll der Blick auf die Julischen
Alpen mit der markanten Zacke des Krn. Der Trainer flog rasch zum
Gleitschirmstartplatz, markierte dort den ersten Wendepunkt und flog
zurück zum Caven. Heute galt es, die ersten Streckenkilometer des
Jahres zu sammeln, zu Ruhm und Ehre unseres Luftsportvereins. Uwe und Rainer wollten für sich die
höheren
Weihen eines "Plesa-Piloten"
erkämpfen. In der Aufregung (oder war es Absicht?) hatte Uwe sein Funkgerät nicht
angeschlossen, so daß er taub war für die Weisungen des
Trainers. Beide
entschlossen sich vorwitzig, den Talsprung zum Kovk zu wagen, erste
Station auf dem Wege zum Plesa. Natürlich geht es da auch mal
abwärts,
entschwinden die vorher so voller Hoffnung aufgesammelten
Höhenmeter im
Schlund gieriger Abwinde. Anstatt jedoch den Flügel zu spannen und
die
Basis entschlossen ans Knie zu nehmen, den rettenden Luvhang vor Augen,
zerbröselte ihr Kampfwille, "heim zu Muttern" wurde zur Devise und
kehrt marsch zurück zum Caven. Das heißt aber auch, beim
Zurück
nochmals durch das Sinken zu fliegen. So kamen sie also reumütig
tief
unten an, während der Trainer
in luftiger Höhe über dem Kuceli drehte. Uwe und Rainer kratzten ganz knapp über
den
Baumwipfeln, fern jeder Landewiese. Immerhin bewiesen beide nun Mut,
als sie mit Kämpferherz das dort schwache und rupfige Steigen
fanden
und unverzagt eindrehten. Das Glück lacht stets dem Tüchtigen
- das
bewahrheitete sich heute wieder einmal aufs Neue. Beide kletterten
Meter für Meter wieder nach oben. Uwe
machte sich alsbald mit neuem Mut
und gewonnenen Erfahrungswerten wieder auf den Weg zum Kovk. Rainers Magen protestierte derweil
gegen die rüde Behandlung wie dünne Luft, Eiseskälte und
3D-Schleudergang, unterbrach die Verdauung des Frühstücks und
beförderte unter konvulsischen Zuckungen seinen Inhalt in Rainers Integralhelm. Dadurch hatte
Rainer gleich noch zwei
Probleme - Brille zu und Schauze voll - wie dabei sehen zum Fliegen und
Atem holen zum Überleben??? Letztlich verschaffte sich Rainer wieder Luft und Sicht, der
kämpferische Elan war jedoch aufgebraucht, bis auf
kümmerliche Reste,
die gerade noch für eine sichere Landeeinteilung am vertrauten
Lijak
ausreichen mußten.
Derweil hatte Konrad
den Kreis um den Plesa gezogen und eilte heimwärts, galt es
doch, den Lijak zu erreichen. Just wollte er vom Nanos zum Kovk queren,
als er einen Drachen mit Drachen auf dem Obersegel gewahrte - Uwe! Der drehte tief über
Vipava und
kam dann höher und näher an den Nanos. Natürlich kann
der Trainer Uwe nicht allein
lassen.
Die Sonne hatte sich schon gesenkt, ihre Strahlen verloren
allmählich
ihre wärmende Kraft. Doch noch waren die Felsen warm, noch gab es
Steigen. Uwe drehte bereits
über den Felsen des Nanos, das Ziel in 5km Entfernung vor Augen,
doch
reichte es diesmal noch nicht. Uwe muß
neben der Kathedrale von Log landen, auf dem auch wegen der Pizzeria
Anja bekannten Landeplatz. Konrad
kämpfte noch eine ganze Stunde, um den Rückweg zum Lijak zu
schaffen.
Doch dafür war es nun schon zu spät geworden. Es gibt
Gruppenfoto mit PP
Konrad und Rückholer-Rainer
sowie dem knapp verhinderten
Plesa-Piloten Uwe.
Petrus hält sich an die Abmachung und läßt zwei
trübe Tage mit
reichlich Schnee folgen. Rainer
muß uns aus dienstlichen Gründen verlassen. Dann
prognostiziert
der Trainer nach eingehender
Befragung des Internet-Orakels für den Samstag wieder gutes
Flugwetter.
War der Himmel am frühen Morgen noch blitzeblau, zogen zum
Frühstück
ein paar Wolkenfelder drüber hin. Das reichte aus, den
Kampfeswillen
von Martin und Uwe zu brechen. Keine Beteuerung
des Trainers, daß das
Wetter
noch gut werde, konnte sie umstimmen. Martin
packte seine Sachen, um noch rechtzeitig ein paar Alpenveilchen
auszubuddeln für den heimischen Garten. Uwe packte, um nicht den Tag mit
einem müden Abgleiter zu versauern. Der Trainer schaute betroffen drein,
warum hörte
man
nicht mehr auf seine weisen Worte, weshalb kann er nicht mehr
überzeugen? Natürlich standen nach zwei Stunden die Kumuli
wieder über dem
Lijak und drehten Greifvögel in der ersten Thermik ihre Kreise. Uwe bekannte sich schuldig und
spendiert reumütig auf der Heimreise Pommes und BigMac.

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