Dolomitenausflug 2005 (Penia di Canazei 3.-9.9.)

"Im Banne des Langkofel"

Der Termin für unsere Vereinsreise war recht kurzfristig festgelegt worden. So konnten einige Interessenten leider nicht teilnehmen. Übrig blieb nur der harte Kern mit Uwe, Martin und Konrad. Unser Standardquartier in Vigo di Fassa war leider belegt, also gab es Internet-Monopoly um eine freie Ferienwohnung. Zum Glück bekamen wir doch in letzter Minute noch ein akzeptables Quartier in Penia di Canazei, einem verträumten Dorf unmittelbar am Fuße der Marmolada. Die Anreise mit zwei PKW wurde durch Staus um München herum auf 14 Stunden gedehnt.  Dazu regnete es heftig. Nachts bei Regen über den Sella-Paß war dann das Sahnehäubchen. Zum Glück fanden wir die Cesa Solelba schon beim zweiten Anlauf und verteilten die Schlafplätze. Uwe wollte es wie immer nachts Solo treiben, wodurch Martin und Konrad ein Kuschelpaar bildeten.
Am Sonntagmorgen war der Himmel blau und die Stimmung super, denn die Wetterprognose gab Anlaß zu schönsten Hoffnungen. Die Bergbahn hatte sich zwei ganz neue und noch geräumigere Kabinen geleistet, selbst die ganz langen Drachen konnte man nun auch ohne Nutzung der Vorteile der Raumdiagonale bequem einfüllen. Auf dem Berg gab es drei erstaunte Gesichter - noch nie waren wir bei gutem Flugwetter am Sonntag dort so allein. Zwar kamen dann doch noch einige Piloten, aber gar kein Vergleich mit dem vorjährigen Massenandrang. Der Wind kam in der Höhe aus Nord, also mußten wir wieder zwischen den Seilbahnen starten. Leider fehlte uns diesmal Gideon als wackerer Vorflieger und wir brauchten eine Stunde länger, bis wir die Körnchen sorgsam behüteter Startlust zu einem ausreichend großen Häufchen angesammelt hatten, da der Wind immer mal die Seite wechselte.  Aber dann klappte es doch problemlos und die Thermik beamte Uwe und Konrad aufwärts. Martin hatte zwar nach einjähriger Drachenpause einen nur unwesentlich verlängerten Abgleiter, war aber trotzdem zufrieden, weil es sonst gut klappte. 

Aufbauen1

Ruhe vor dem Sturm

Aufbauen 2

Die Luft war klar bis zum Horizont, man sah aber dicke Wolken über dem Alpenhauptkamm. Hier im Fassatal ging es bis 3700m hoch, da hatte man - einmal ordentlich aufgedreht - genug Muße für einen genußvollen Rundflug von der Col Rodella über Sella, Belvedere und Marmolada. Da später die Wolken auch bei uns immer knackiger wurden - auch das Steigen darunter trieb den Variozeiger immer öfter weit in die "weißen" Bereiche (>4m/s) - zogen wir eine sichere Landung vor, um sich nicht drohenden Gewitterböen bei der Landung auszuliefern. Uwe sah beim Queranflug zur Landung auf einer benachbarten Wiese eine ganze Traube hübscher junger Frauen, drehte flugs sein Fluggerät in die andere Landerichtung, um den ZuschauerInnen dort zu zeigen, daß nicht alle Drachenflieger alt und runzlig sind und man bei einer Lebendlänge von knapp 2m auch ganz chic stehend landen kann. Vom  Beifall schwärmte er dann noch den ganzen Abend. Kaum waren wir mit dem Abbau fertig, gab es die ersten Tropfen und wir konnten den Drachen gerade noch trocken ihre Verhüterli verpassen. Dann gab es ein heftiges Gewitter mit Hagel und kräftigen Blitzen, deren Einschläge Martin durch aufquellende Rauchwolken und glühende Leuchterscheinungen begeisterten

Einige Probleme bereitete uns der doch recht verschlissene Zustand unseres Quartiers. Das Duschwasser war höchst selten wärmer als die eigene Körpertemperatur und beim Klopapier war die letzte Rolle im Einsatz. Die Bedienung des Propangasherdes beschwor Gefahr für Leib und Leben, beim Anzünden des Backraumbrenners gab es immer mal einen lauten Puff, wobei Herdverkleidungen durch den Raum flogen. Außer unserem im Umgang mit allerlei Sprengstoffen erfahrenen Martin traute sich bald niemand mehr daran heran.

Vor dem Start

Am Langkofel

Auf dem Weg zum Startplatz

Am Montag weckte uns wie üblich zunächst die Kirchenglocke Punkt 6Uhr. Der Hahn setzte um 7Uhr mit seinem Krähen ein  und Konrad um 8Uhr mit der Geige. Trotzdem kamen die beiden anderen Schläfer nie zu früh aus der Koje. Gemütlich wurde gefrühstückt und dann Beeilung, um die letzte Auffahrt vor der Mittagspause nicht zu verpassen. Die Regenfälle am Abend hatten genügend Feuchtigkeit geliefert, die Basis lag 1000m tiefer als tags zuvor. Die Thermik wollte auch nicht so richtig durchziehen. Der Wind hatte auf SO gedreht und war besonders launisch. Ein Pilot hatte einen eindrucksvollen Fehlstart. Bei einer vom Trainer als für einen Start absolut ungeeignet gehaltenen Windlage riskierte er es doch, fädelte folgerichtig mit der Basis ein, der Turmlose drehte auf den Rücken und das ganze Gespann rutschte den ganzen zum Glück aus ebener Wiese bestehenden Starthang ca. 50 Höhenmeter runter, die friedlich grasenden Murmeltiere dabei zu Tode erschreckend. Zwei Gefährten liefen rasch zur Hilfe runter, glücklicherweise war dem Piloten gar nichts passiert, am Drachen lediglich ein Randbogen gebrochen. Das zehrte natürlich wieder an unserer Startlustsubstanz. Dann kamen wir aber alle noch gut raus und probierten uns an der schwachen Thermik. Eigentlich ging es nur an der Col Rodella einigermaßen gut. Uwes Fehler war, daß er dem Trainer blindlings auf seiner Talquerung zum Belvedere folgte, mit dem Ergebnis, daß sich beide bald wieder auf dem Landeplatz einfanden. Martin war der Held des Tages, drehte jede Menge Kreise an der Rodella und landete als Letzter.

glücklich gelandet

unglücklich gelandet


Am Dienstag war die Feuchtigkeit abgetrocknet und die Thermik hoffentlich zuverlässiger, ebenso der Startwind. Es ging wegen SO-Wind wieder nach vorne raus, dann mit Sicherheit über die Tragseile und rein in den Hausbart. Irgendwie mußte der gerade beim Friseur in der Mache sein, anstelle eines soliden Bartes gab es nur  kleine zerrupfte Büschel. Hatte man einen gefunden, konnte man so etwa 200m Höhe gewinnen, dann war Schluß mit dem Schleudergang und im ruhigen Sinken konnte man sich erneut auf die Suche machen. Es kam darauf an, eine frische Blase rechtzeitig zu zentrieren, um möglichst hoch zu kommen. Am Langkofel sahen die Thermikwolken nämlich richtig gut aus. Der Trainer hatte beim zweiten Anlauf Erfolg und fand weit hinter dem Plattkofel sehr gutes Steigen. Flugs ging es darin hoch bis zur Basis, knapp unterhalb der Gipfel der Berggruppe, bestehend aus Lang-, Zahn- und Plattkofel. Deren fast senkrechten etwa 1000m hohen Felswände umschließen einen gewaltigen Hohlraum, aus dem Wolken heraus quollen. Wegen höchst unterschiedlicher Feuchte variierte das Kondensationsniveau beträchtlich. Gelegentlich konnte man durch eine Lücke horizontal geschichteter Wolken fliegen, unter sich auf dem weiß gleißenden Nebel den eigenen Schatten nebst leuchtend buntem Heiligenschein bewundern...
Uwe war schon ziemlich breit und hatte fast eine ganze Stunde die Col Rodella berannt, ohne auf Gipfelhöhe aufdrehen zu können. Der Trainer mußte ihm Mut machen und mit dem fantastischen Erlebnis des Langkofel locken. Uwe hielt durch und wurde ebenfalls dafür belohnt. Martin hatte mit dem kleinen Impuls bei den turbulenten Bedingungen sicher nicht das richtige Pferd aufgezäumt und hielt sich klug zurück.
Pech hatte der
Trainer bei der Landung. Obwohl gewarnt von Martin ob der sehr turbulenten Windverhältnisse am Landeplatz, klatschte ihn eine heftige Turbulenz in Bodennähe beim Umgreifen  knallhart zu Boden. Beide Seitenrohre nebst Carbonbasis(!) opferten sich für des Trainers Gesundheit. Der rappelte sich völlig unversehrt rasch wieder auf und machte gute Miene zum bösen Spiel. Immerhin war das Videoband bis zum Ende voll mit tollen Aufnahmen, die am Abend zum Wein genossen werden konnten.
Der Mittwoch verlief unspektakulär. Konrad stand früh auf und fuhr ins Zillertal, um bei Seedwings eine Ersatzbasis zu kaufen. Beim Rückweg stellte er das Auto auf dem Sella-Paß  ab und ging zu Fuß auf die Rodella, um von den beiden Gefährten  besonders schöne Aufnahmen von Start und Flug zu machen. Was die Starts anbetrifft, gelang das durchaus. Vom Flug klappte es nicht, weil beide flugs wieder unten standen.

Martin vor der Langkofelhütte

endlich oben

pssst!

Am Donnerstag entschieden wir uns für einen Wandertag. Das Wetter war zwar durchaus zum Fliegen geeignet, doch nach 4 Flugtagen nacheinander hatten wir mal Lust auf einen eher bodenständigen Ausflug ins Fluggebiet. Wir wollten durch die Langkofelgruppe wandern. Zwecks Schonung körpereigener Energiereserven fuhren wir mit der Bahn auf die Rodella und gingen dann rüber zum Langkofel. Dort sind zunächst etwa 400Höhenmeter zu überwinden, um die Langkofelscharte zu erreichen, Gipfelpunkt einer mächtigen Schutthalde zwischen Lang- und Zahnkofel. Oben angelangt, umgeben von mächtigen Felswänden, im Nebel der aus dem Schoße der Langkofelgruppe hervorquellenden Wolken, verdrückten wir unsere Stullen und stiegen in den riesigen Hohlraum hinab, den Lang-, Zahn- und Plattkofel bilden, mit den senkrechten, in Säulen auslaufenden Felswänden einem natürlichen Dom von gigantischen Ausmaßen vergleichbar. Unten wieder gewaltige Schotterkegel und sogar größere Schneefelder, kleinen Gletschern ähnlich, die sich vor den Sonnenstrahlen in den Kofel gerettet hatten. Nach Osten hin gibt es zwischen Lang- und Plattkofel eine größere Scharte, durch die wir wieder ins Freie gelangten. Vor dem Abstieg ins Fassatal ging es dann nochmal mehrere hundert Meter aufwärts über sanfte Hochalmen und dann runter ins Duron-Tal. Zwischendurch gab es ein ausgedehntes Photoshooting mit Murmeltieren, die sich selbst durch unsere Photoblitzer nicht von ihrer Freßorgie abhalten ließen.  Nach 8 Stunden Wanderung waren wir endlich wieder in Penia.

In der Nacht zum Freitag gab es ergiebig Regen, früh war es stark bewölkt und der einsetzende Regen spülte letzte Hoffnungen auf einen fliegerischen Abschluß unserer Dolomitentage hinweg. Also Bude aufgeräumt, Autos beladen und Gas gegeben.


Konrad